Freitag, 29. März 2024

Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21

Zumindest ein Teil von Stuttgart 21 muss in Betrieb gehen, um den Stuttgarter Kopfbahnhof sanieren und modernisieren zu können.

Die Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs ist erforderlich, um die Leistungsfähigkeit, die Betriebsflexibilität (Deutschlandtakt, Ping-Pong-Verkehre) und die Sicherheit (Gleis-Doppelbelegungen, kleine Bahnsteigbreite) des Stuttgarter Hauptbahnhofs sicherzustellen.

Es muss derjenige Teil von Stuttgart 21 vorab in Betrieb gehen, der der vor dem Jahr 1994 geplanten Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnhof entspricht. Das wäre konkret die Durchmesserlinie, die vom Feuerbacher Tunnel, einem viergleisigen Durchgangsbahnhof und dem Fildertunnel gebildet wird.

Die grundlegende Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert, dass jeweils zwei Gleise des Kopfbahnhofs über einen Zeitraum von ca. einem Jahr außer Betrieb genommen werden. Bei 16 Gleisen dauert die Sanierung und Modernisierung des Kopfbahnhofs somit mindestens 8 Jahre.

Die Außerbetriebnahme von jeweils zwei Gleisen des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert, dass eine bestimmte Anzahl von Zügen aus dem Stuttgarter Kopfbahnhof herausgenommen wird. Hier kommt jetzt der Teil "Feuerbacher Tunnel - viergleisiger Durchgangsbahnhof - Fildertunnel" von Stuttgart 21 ins Spiel. Dieser Teil kann die ICE der nationalen Magistrale Frankfurt - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München sowie einige weitere, ausgewählte IRE aufnehmen. Das ist die Voraussetzung, damit über einen Zeitraum von acht Jahren der Stuttgarter Kopfbahnhof auch mit nur noch 14 Gleisen auskommt. Später dann, nach den acht Jahren Modernisierungszeit, können der Kopfbahnhof mit seinen 16 Gleisen und der Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 dafür sorgen, dass der Bahnknoten Stuttgart wesentlich mehr Züge als heute aufnehmen kann.

Warum ist die Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs so aufwändig?
Es müssen viele und umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt werden. Ein Teil geht auf das Konto des Sanierungsstaus der letzten Jahrzehnte. Es sind aber auch neue Bauwerke zu erstellen. 

Die früheren Gepäckbahnsteige müssen demontiert werden. Die Personenbahnsteige müssen auf das heute übliche Maß von 11 Metern verbreitert werden. Die Kopfbahnhofgleise werden paarweise zusammengelegt. Das Dach muss neugebaut werden. Es muss ca. 150 Meter von den Prellböcken entfernt eine Fußgängerunterführung gebaut werden. Ggf. ist diese Fußgängerunterführung mit Aufzügen und Fahrtreppen auszurüsten. Der Anschluss des Kopfbahnhofs an den S-Bahnhaltepunkt Hauptbahnhof und an den Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof muss für umsteigende Fahrgäste verbessert werden.
 
Die Lage des Kopfbahnhofs
Hätte man den Kombibahnhof aus Kopf- und Durchgangsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof von Anfang an anvisiert, hätte man die Gleise des Kopfbahnhofs über den Stuttgart 21-Tiefbahnhof und damit näher an den Rest-Bonatzbau und näher zur bestehenden Stuttgarter Innenstadt verlegen können. Das scheint aber jetzt nicht mehr möglich zu sein.
 
Die Devise muss deshalb lauten: Wenn der Kopfbahnhof nicht näher an die Stuttgarter Innenstadt gelegt werden kann, muss die Stuttgarter Innenstadt näher an den Kopfbahnhof heranreichen. Das müsste möglich sein. Man denke nur an den Leipziger Hauptbahnhof, unter dessen Querbahnsteig sich ein riesiges Einkaufszentrum befindet. Ähnliches könnte auch in Stuttgart eingerichtet werden.  

Freitag, 22. März 2024

"Ping-Pong-Verkehre" sind die Zukunft für den Stuttgarter Kopfbahnhof

Für die sogenannten "Ping-Pong-Verkehre" ist ein Kopfbahnhof die beste Lösung. 

Das betonte sinngemäß auch der damalige Bahnvorstand Kefer beim Sach- und Faktencheck zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler. Diese Feststellung hatte allerdings keine weitere Folgen. Denn bei Stuttgart 21 waren keine Ping-Pong-Verkehre geplant. Das wurde nicht weiter hinterfragt. 

Was sind Ping-Pong-Verkehre?
Beispiel: Heilbronn - Stuttgart - Heilbronn - Stuttgart - Heilbronn - Stuttgart usw.

Oder: Aalen - Stuttgart - Aalen - Stuttgart - Aalen - Stuttgart usw.

Genauso wie: Pforzheim - Stuttgart - Pforzheim - Stuttgart - Pforzheim - Stuttgart usw.

und viele andere Beispiele mehr. 

Auch die Gäubahn zählt zum Ping-Pong-Verkehr
Wegen der besonderen Umstände zählt auch die gesamte Gäubahn zum Ping-Pong-Verkehr. 
 
Das gilt für die kurze Gäubahn: Horb/Freudenstadt/Nagold - Stuttgart-Hauptbahnhof.
 
Das gilt aber auch für die lange Gäubahn: Singen/Konstanz/Zürich - Stuttgart-Hauptbahnhof. 

Ping-Pong-Verkehre versus durchgebundene Verkehre
Maßgebend für die Wahl zwischen den Ping-Pong-Verkehren und den durchgebundenen Verkehren ist der Anteil der durchfahrenden Fahrgäste an der Gesamtzahl der Fahrgäste in einem Bahnhof.
 
Bei der Infoveranstaltung am 11.10.2022: "Ausblick auf den Regional-Fahrplan nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21" betonte das Landesverkehrsministerium, dass im Stuttgarter Hauptbahnhof der Anteil des Ziel- und Quellverkehrs im Regionalverkehr gegenüber den durchfahrenden Fahrgästen dominiert.
 
Damit ist die Richtung klar, in die der Stuttgarter Hauptbahnhof gehen muss. Ein Teil des Regionalverkehrs muss Ping-Pong-Verkehr sein. Das erfordert einen Kopfbahnhof zusätzlich zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof.
 
Das kann man auch noch etwas pointierter darstellen: Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist der Bahnhof in Baden-Württemberg mit den mit Abstand meisten Fahrgästen. Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist auch der Bahnhof in BW mit den meisten aus-, ein und umsteigenden Fahrgästen, sowohl absolut als auch prozentual. Damit ist der Stuttgarter Hauptbahnhof derjenige Bahnhhof in BW, der sich mit Abstand am besten für die Aufnahme von Ping-Pong-Verkehren eignet. Es geht im Stuttgarter Hauptbahnhof beim Regionalverkkehr nicht in erster Linie darum, schnell durchgebunden zu werden, sondern darum, zur richtigen Zeit anzukommen und abzufahren, damit Anschlüsse in und aus alle(n) Richtungen gewährleistet sind.
 
Die Fahrgäste steigen im Stuttgarter Hauptbahnhof von einem beliebigen Regionalzug in andere Regionalzüge um, in die Fernzüge, in die S-Bahn, in die Stadtbahn, in die Linienbusse und in die Taxis. Oder sie steigen aus, um zum Beispiel in die Stuttgarter Innenstadt zu gehen. Pro Regionalzug können das bis zu 90 Prozent der Fahrgäste sein.

Durchgebundene Verkehre, lange Standzeiten und Gleis-Doppelbelegungen
Jetzt wird es aber noch interessanter. Bei der schon genannten Informationsveranstaltung vom 11.10.2022 betonte das Landesverkehrsministerium, dass im Stuttgarter Hauptbahnhof Pufferzeiten zur Steigerung der Pünktlichkeit und Robustheit zielführend sind. Und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg ergänzte, dass die durchgebundenen Regionalzüge längere Standzeiten im Hauptbahnhof aufweisen werden. Das wiederum sei ursächlich für die große Zahl an Gleis-Doppelbelegungen im Hauptbahnhof.
 
Jetzt muss man sich aber doch erst mal setzen. Das ist ja sensationell! Mit der schnellen Durchbindung von Regionalzügen im Stuttgarter Hauptbahnhof wird es also nichts sein. Im Gegenteil werden die Regionalzüge längere Standzeiten aufweisen, damit Verspätungen aus einer Strecke nicht auch noch auf die andere Strecke übertragen werden. Die Durchbindung von Regionalzügen bringt nicht nur für sehr wenige Fahrgäste überhaupt etwas. Der Stuttgart 21-Tiefbahnhof ist dazuhin auch noch unterdimensioniert, weil längere Standzeiten der Regionalzüge auch noch zu Gleis-Doppelbelegungen in größerem Ausmaß führen.
 
Die Lösung des Problems stellen der ergänzende Kopfbahnhof und der Ping-Pong-Verkehr dar. Mit diesen Randbedingungen gibt es keine Verspätungsübertragung von einer Strecke auf die andere. Es stehen zudem genügend Gleise zur Verfügung, so dass es nicht zu Gleis-Doppelbelegungen kommen muss. Die Ankunft und Abfahrt der Ping-Pong-Züge ist zudem so, dass die bestmöglichen Anschlüsse zu anderen Zügen hergestellt werden.      

Die städtebaulichen Aspekte der Ping-Pong-Verkehre
Beim Werben für die Ping-Ping-Verkehre und den ergänzenden Kopfbahnhof darf der städtebauliche Aspekt nicht unerwähnt bleiben.
 
Wir nehmen an, dass der Stuttgart 21-Tiefbahnhof die am Hauptbahnhof durchgebundenen Verkehre übernimmt. Das sind die Fernzüge der Magistrale Frankfurt - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München und deren Varianten (Paris - Stuttgart, Saarbrücken - Stuttgart, Heidelberg - Stuttgart und Offenburg - Stuttgart). Dazu kommen noch ganz wenige ausgewählte IRE (im Wesentlichen Heilbronn - Tübingen und Karlsruhe - Ulm).
 
Alles Andere - und das ist sehr viel - wird im Rahmen von Ping-Pong-Verkehren über den Kopfbahnhof abgewickelt. Das heißt dann aber auch, dass es im Kopfbahnhof keine durchgebundenen Züge mehr geben wird. Und das bedeutet, dass man auf Überwerfungen usw. im Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs verzichten kann. Denn die einzelnen Strecken der Ping-Pong-Verkehre überkreuzen sich nicht, sondern laufen parallel zueinander in den Kopfbahnhof ein. Damit lässt sich das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs wesentlich besser städtebaulich integrieren, sowohl in Bezug auf die visuellen Aspekte als auch in Bezug auf den Flächenverbrauch.
 
 

Freitag, 15. März 2024

Fernbahntunnel in Frankfurt: Geht die Bahn so langsam auf Distanz zu Stuttgart 21?

Stuttgart 21 scheint inzwischen selbst von der Bahn als ein Beispiel, wie man es nicht macht, gesehen zu werden.

Darauf zumindest deuten Äußerungen von Gerd-Dietrich Bolte (Leiter Infrastrukturprojekte Region Mitte bei der DB InfraGO AG) hin, über die die Zeitung Frankfurter Rundschau auf ihrer Website mit Datum vom 27.02.2024 berichtete.

Demnach war bei einer Diskussion zum geplanten Frankfurter Fernbahntunnel im Haus am Dom auch Stuttgart 21 ein Thema. Gerd-Dietrich Bolte äußerte sich sinngemäß so, dass der Frankfurter Fernbahntunnel mit Stuttgart 21 nicht vergleichbar ist. Denn - und jetzt heißt es aufpassen - in Frankfurt werden mit dem Fernbahntunnel Zusatzkapazitäten geschaffen und nicht nur der Verkehr weg von der Oberfläche verlagert.

Das ist dann aber doch zwischen den Zeilen ein vernichtendes Urteil zu Stuttgart 21. Der Fernbahntunnel in Frankfurt soll gemäß Bolte bis zu 25 Prozent mehr Kapazität schaffen. Frankfurt soll so zu einem Superknoten an zentraler Stelle im Netz werden. Die Verkehrswende in Deutschland hängt am Frankfurter Fernbahntunnel.

Was kann man daraus für Stuttgart 21 folgern?
Das Projekt ist falsch. Ebenso falsch sind die diskutierten Ergänzungsprojekte, vor allem die unsäglichen Tangentenplanungen sowie der Pfaffensteigtunnel.
 
Inzwischen scheint selbst die Bahn der Auffassung zu sein, dass es bei Stuttgart 21 in erster Linie darum geht, den Verkehr weg von der Oberfläche zu verlagern und weniger darum, Zusatzkapazitäten zu schaffen. Da haben wir wieder die Einschätzung, dass Stuttgart 21 ein Immobilienprojekt und weniger ein Bahnprojekt ist.
 
Was für Frankfurt erforderlich ist, gilt auch für Stuttgart. Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof muss ein Superknoten - diesmal an zentraler Stelle (mehr Zentralität geht nicht) des Bundeslandes BW - werden und mehr Kapazität schaffen.
 
Das aber geht nur mit Hilfe eines Ergänzungsbahnhofs beim Hauptbahnhof sowie mit einer weiteren Doppelspur im Nordzulauf.
 
Warum nimmt die Bahn das Heft des Handelns nicht in die Hand?
Wir haben es bei Stuttgart 21 ja mit einem kollektiven Versagen der Politik zu tun - quer durch alle Parteien und sowohl auf lokaler Ebene als auch auf Landesebene.
 
Warum nimmt die Bahn nicht das Heft des Handels in die Hand? Die Bahn braucht nur festzustellen, dass in Stuttgart ein Teil des Kopfbahnhofs erhalten bleiben muss oder ein Ergänzungsbahnhof gebaut werden muss. Da wollen wir mal sehen, ob die Politik dem zu widersprechen wagt. Dieses Thema könnte doch mit dem laufenden Gerichtsprozess zur Sprechklausel von Stuttgart 21 verknüpft werden!

Freitag, 8. März 2024

Stuttgart 21: Schlechte Rahmenbedingungen für die Bahnstrecke Stuttgart - Nürnberg

Die Bahnstrecke Stuttgart - Nürnberg sieht sich beim Projekt Stuttgart 21 schlechten Rahmenbedingungen ausgesetzt. Wesentlich besser wäre es auch für dieses Problem, wenn man einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof baute und von dort Züge in Richtung Nürnberg bzw. Aalen abfahren lässt.

Das sehen wir uns im heutigen Post in diesem Blog näher an.

Was läuft heute?
Heute gibt es beim Fernverkehr einen zweistündlichen IC Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg und zurück. Dieser IC ist der Nachfolger eines IR. Nach der Einstellung des eigenwirtschaftlich gefahrenen Interregio-Verkehrs durch die Bahn wurden einige IR-Linien von den Bundesländern übernommen, die sie durch Regionalverkehrslinien ersetzten. Einige IR-Linien waren aber für die Bahn so wichtig, dass sie sie durch IC-Linien ersetzte. Dazu gehört der IC Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg.
 
Das Land BW hat mit dem IRE 1 Karlsruhe - Stuttgart - Aalen einen Komplementärverkehr zum IC der Bahn bestellt. Der IRE 1 verkehrt ebenfalls zweistündlich. Von Karlsruhe über Stuttgart nach Aalen gibt es somit einen Stundentakt mit schnellen Zügen. 
 
Karlsruhe - Nürnberg: Zukünftig eine Fahrt mit Hindernissen
Unter Stuttgart 21 ist die Verbindung Karlsruhe - Nürnberg über Stuttgart verschiedenen Hindernissen ausgesetzt, die einen Weiterbetrieb dieser Linie fraglich erscheinen lassen.
 
Engstellen gibt es zunächst mal im Stuttgart 21-Hauptbahnhof. Die von Karlsruhe kommenden Züge erreichen den Stuttgart 21-Hauptbahnhof über den Feuerbacher Tunnel und kommen somit an einem der inneren Gleise an. Weiter geht es durch den Untertürkheimer Tunnel. Hierzu müssen die Züge auf eines der äußeren Gleise im Stuttgart 21-Hauptbahnhof wechseln. Es besteht somit hier eine Innen-Außen-Durchbindung, die kapazitätsmindernd ist, weil ein solcher Zug mindestens zwei Fahrstraßen gleichzeitig belegt. In der Gegenrichtung ist eine Außen-Innen-Durchbindung vorhanden.
 
Jetzt geht es aber richtig zur Sache.  Nach dem Verlassen des Untertürkheimer Tunnels findet der IC nach Nürnberg eine mehrere hundert Meter lange eingleisige Strecke vor (die sogenannte Interregio-Kurve). Damit nicht genug. In der Folge gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung mit der alle 5/10-Minuten fahrenden S-Bahn Richtung Waiblingen sowie eine Einfädelung in das Regional-/Fernverkehrsgleis von Bad Cannstatt nach Waiblingen. In der Gegenrichtung ist die Engstellensituation ähnlich.
 
Das Land BW hat bereits auf das Engstellen-Feuerwerk reagiert
Im geplanten Regionalzugfahrplan für Stuttgart 21 verzichtet das Land BW auf die heute vorhandene Durchbindung des schnellen Regionalzugs von Karlsruhe nach Aalen. Sowohl die von Karlsruhe als auch die von Aalen nach Stuttgart kommenden Regionalzüge erhalten jeweils eine andere Durchbindung. Damit ist die Konfiguration von Stuttgart 21 für die Wahl der Durchbindung maßgebend. Eigentlich muss es umgekehrt sein ("form follows function"). 

Der Fernverkehr Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg ist unklar
Im dritten Gutachterentwurf zum Deutschlandtakt ist ein stündlicher schneller Zug der Relation Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg sowie ein stündlicher schneller Zug der Relation Zürich - Stuttgart - Nürnberg vorgesehen. Dies können sowohl eigenwirtschaftlich betriebene Fernverkehre als auch vom Land bestellte schnelle Regionalzüge sein.
 
Die genannte Durchbindung Zürich - Nürnberg wird es in den kommenden Jahrzehnten nicht geben. Die genannte Durchbindung Karlsruhe - Nürnberg könnte an den beschriebenen Engstellenproblemen scheitern. Es ist somit möglich, dass weder die Bahn noch das Land einen Zug für diese Relationen auf die Schiene bringen werden.
 
Die Durchbindung wird überbewertet
Nur in der Relation der Nationalen Magistrale Frankfurt/Main - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München ist von den Fahrgastinteressen her eine Durchbindung der Züge zwingend. Bei allen anderen Relationen einschließlich der genannten Relationen von/nach Nürnberg wird der Nutzen einer Durchbindung überschätzt. Bis zu 90 Prozent der Fahrgäste, die in einem beliebigen Zug zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren, steigen dort aus oder um. Die Durchbindung der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof hat somit kaum einen Nutzen. Sie ist in erster Linie der Form von Stuttgart 21 geschuldet, das endende und wendende Züge entweder nicht zulässt oder erschwert.
 
Der Ergänzungsbahnhof ist auch für die Züge Stuttgart - Nürnberg vorteilhaft
Auch für den IC Stuttgart - Nürnberg sowie den IRE Stuttgart - Aalen sowie die MEX Stuttgart - Aalen und Stuttgart - Schwäbisch Hall ist der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof die beste Lösung. Ohne die Probleme der Durchbindung können diese Züge im Ergänzungsbahnhof ein- und ausfahren. Zudem ermöglicht der Ergänzungsbahnhof, dass die Züge auf geradem Wege von und nach Bad Cannstatt fahren - ohne unterirdische Ehrenrunde unter halb Stuttgart.

Freitag, 1. März 2024

Landeshauptstadt Stuttgart - die große Verliererin beim Stuttgart 21-Spiel?

Je nach Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren (einschließlich der Revisionen) ist es möglich, dass die Landeshauptstadt Stuttgart zusätzliche Kosten des Projekts Stuttgart 21 in Milliardenhöhe schultern muss.

Wir sehen uns die Rolle der Landeshauptstadt Stuttgart in Sachen Stuttgart 21 heute mal etwas näher an. Irgendwelchen Entscheidungen von Gerichten soll hier in keinster Weise vorgegriffen werden.

Was könnte auf die Landeshauptstadt Stuttgart zukommen?
Ein Eckwert von null Euro zusätzlichen Kosten für die Landeshauptstadt Stuttgart wäre dann gegeben, wenn ein Gericht entschiede, dass der Bauherr (Die Bahn) alle Mehrkosten von Stuttgart 21 übernehmen muss.

Ein anderer Eckwert wäre so zu definieren, dass die Landeshauptstadt Stuttgart alle gegenüber dem Stuttgart 21-Vertrag auftretenden Mehrkosten übernehmen muss. Das wären weit über fünf Milliarden Euro. Stuttgart wäre dann pleite. Dieser Eckwert leitet sich daraus ab, dass sich die Stadtverwaltung Stuttgart sinngemäß so geäußert hat, das sie sich nicht am Projekt Stuttgart 21 beteiligte hätte, wenn die oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel nicht aufgelassen würden. Damit aber wird Stuttgart 21 in seiner Eigenschaft als Immobilienprojekt deutlich. Das aber ist ausschließlich Sache der Landeshauptstadt Stuttgart.
 
Eine dritte Variante wäre, dass sich Stuttgart gemäß dem bisherigen Anteil an der Finanzierung des Projekts auch bei den Mehrkosten beteiligen muss. Das wären so ganz grob geschätzt 1,5 Milliarden Euro, die an der Stadt hängenbleiben. Dieser Mittelweg ist gar nicht so unwahrscheinlich. Auch das würde Stuttgart hart treffen. Es müssten dann wohl alle freiwilligen Leistungen der Stadt eingeschränkt oder storniert werden. Stuttgart müsste hohe Schulden aufnehmen.
 
Die Bahnreform - nicht gut für Stuttgart
Stuttgart hat nach der Bahnreform gleich dreimal Pech gehabt. Zum einen kam mit Heinz Dürr ein Manager an die Spitze der Bahn, der kein Bahnfachmann war. Heinz Dürr interessierte sich für den Verkauf von Bahnflächen in größerem Ausmaß. Zum Zweiten stammte Heinz Dürr auch noch aus Stuttgart. Damit wurde der Stuttgarter Hauptbahnhof zum Versuchskaninchen in Sachen Vergoldung der Bahnflächen. Und zum Dritten hatte Dürr gegenüber dem damaligen Ministerpräsidenten Teufel und dem damaligen Stuttgarter OB Rommel - beides ebenfalls keine Bahnfachleute - leichtes Spiel. Beide ließen sich sofort von Stuttgart 21 begeistern.
 
Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart die Bruchstellen von Stuttgart 21 erkennen müssen?
Stuttgart 21 weist mindestens zwei Systemfehler bzw. Bruchstellen auf.
 
Eine der Bruchstellen ist die außenseiterhafte Finanzierung des Projekts. Es ist immer ratsam, Projekte von derjenigen Institution finanzieren zu lassen, die dafür auch zuständig ist. Bei den Bahnstrecken und Bahnhöfen wäre dies der Bund. Der Bund wollte aber Stuttgart 21 nicht finanzieren. Sicher hatte und hat der Bund gute Gründe für diese Entscheidung. Die gewählte Finanzierung von Stuttgart 21 als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn bringt nun alle hinlänglich bekannten Probleme mit sich. Es gibt die inzwischen berühmte Sprechklausel, die nun vor Gericht gelandet ist. 
 
Aufgabe von Heinz Dürr und auch der Landeshauptstadt Stuttgart wäre gewesen, beim Bund für die Kombilösung beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu werben. Kombilösung bedeutet die Erhaltung und die Modernisierung des Kopfbahnhofs sowie eine neue Durchmesserlinie mit einem viergleisigen Durchgangsbahnhof. Das hätte der Bund sicher nicht bereits im Jahr 1994 finanziert und verwirklicht. Der Bund musste erst mal viel in die neuen Bundesländer investieren. Aber in den Nuller Jahren oder den Zehner Jahren oder den Zwanziger Jahren wäre die Kombilösung in Stuttgart im Bau gewesen. Da ist auch ein wenig Geduld gefragt.
 
Die zweite Bruchstelle ist die minimalistische Ausgestaltung des Projekts als Folge des Zwangs, dass alle oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel verschwinden müssen. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat ja erklärt, Stuttgart 21 nur dann zu unterstützen, wenn es keine oberirdischen Gleise mehr gibt. Das aber hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Konfiguration von Stuttgart 21. Das Projekt musste in der Folge in einer minimalistischen Form ausgeführt werden. Alles andere hätte sich nicht gerechnet.
 
Der Hauptbahnhof erhält nur acht Gleise. Der für 40 Prozent der Verkehrsnachfrage und der Zugzahlen zum/vom Hauptbahnhof zuständige Nordzulauf erhält nur zwei Gleise. Die Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn muss als unfahrbar bezeichnet werden. Ebenfalls unfahrbar mit eingleisigem Abschnitt und mehreren höhengleichen Gleiskreuzungen ist die Relation Hauptbahnhof - Untertürkheimer Tunnel - Waiblingen. Bei den Gleisen des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs muss teilweise sogar die Doppelbelegung eingeführt werden - und das trotz starker Längsneigung der Gleise. Der Deutschlandtakt (Integraler Taktfahrplan) ist mit Stuttgart 21 zum Scheitern verurteilt - in Bezug auf die zu wenigen Zulaufgleise und in Bezug auf die zu wenigen Bahnsteiggleise.
 
Verschiedene Ergänzungsprojekte musste das Land BW übernehmen, wie die Große Wendlinger Kurve, der Regionalbahnhof Vaihingen und die P-Option. Verschiedene Maßnahmen, um Stuttgart 21 irgendwie zum Laufen zu bringen, wurden dem Bund vor die Türe gekarrt. Das sind z.B. der Digitale Knoten Stuttgart, der Nordzulauftunnel und der Pfaffensteigtunnel.
 
Was hätte die Landeshauptstadt Stuttgart unternehmen müssen?
Die Landeshauptstadt Stuttgart hätte die Hauptbahnhöfe in Europa analysieren müssen dergestalt, ob es irgendwo ein zweites Stuttgart 21 gibt. Das Ergebnis hätte Nein gelautet. In der Folge hätte die Landeshauptstadt Stuttgart ihre Unterschrift unter das Projekt verweigern müssen. Das Projekt wäre damit Projekt geblieben.           
 
Frankfurt am Main ist zu beneiden 
Hier noch kurz als Beispiel ein Bahnprojekt, das so läuft, wie es eigentlich in Deutschland vorgesehen ist.
 
In Frankfurt am Main läuft alles anders als in Stuttgart, will heißen, in Frankfurt am Main läuft alles normal. Vor einigen Monaten betonte der Oberbürgermeister von Frankfurt, dass die Stadt Frankfurt keinen Cent am neuen Fernbahntunnel in Frankfurt zuzahlen muss.

Da hat er Recht. Denn der Frankfurter Fernbahntunnel ist ein Vorhaben im Rahmen der Bundesschienenwege und wird vom Bund finanziert. Es ist im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 enthalten.

Es gab bereits Einwände, dass die Einwohnerinnen und Einwohner von Frankfurt vom neuen Fernbahntunnel eigentlich gar nichts haben. Das ist allerdings falsch. Denn der neue Fernbahntunnel ermöglicht es, noch mehr Fernzüge über den Frankfurter Hauptbahnhof zu führen.

Viel wichtiger aber ist, dass auch der Regionalverkehr vom Fernbahntunnel profitiert. Denn der Fernbahntunnel macht im Frankfurter Kopfbahnhof mehrere Gleise frei, die bisher dem Fernverkehr dienen. Damit können in Zukunft auch mehr Regionalzüge fahren und die Überlastung des Regionalverkehrssystems in der Region Rhein-Main abmildern.

Das geht aber nur, weil als Folge des Fernbahntunnels kein einziges Gleis im Frankfurter Kopfbahnhof stillgelegt wird. Im Gegenteil: Bald sollen die Bauarbeiten für das neue Gleis 25 des Kopfbahnhofs beginnen.

 

Freitag, 23. Februar 2024

Digitale S-Bahn Hamburg zeigt: Verband Region Stuttgart ist bei ETCS und ATO für die Stuttgarter S-Bahn auf dem Holzweg

Beim Verband Region Stuttgart liebäugelt man nach wie vor damit, mit dem neuen European Control System (ETCS) und der Automatic Train Operation (ATO) zusätzliche Züge auf die heute schon überlastete Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn bringen zu können, z.B. im Rahmen einer neuen S-Bahnlinie von Stuttgart nach Göppingen.

Der Verband Region Stuttgart ist hier auf dem Holzweg. Die Effekte der neuen Zugsicherungssysteme dürfen allenfalls dazu verwendet werden, Verspätungen abzubauen und Energie zu sparen.

Wir haben hier in diesem Blog mehrfach auf die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn verwiesen, wo mit den neuen Signalsystemen nach Inbetriebnahme der Zweiten Stammstrecke im Verlauf der Ersten Stammstrecke sogar weniger Züge als heute verkehren sollen.

Heute sehen wir uns mal die S-Bahn in Hamburg an. Im "Magazin der S-Bahn Hamburg" vom 18. Juli 2023 werden die neuen Zugsicherungssysteme ETCS und ATO gegenüber der Hamburger Bevölkerung ausführlich erläutert, genannt "Digitale S-Bahn Hamburg 2.0". 

Aktueller Einschub
Im Rahmen der klammen Haushaltskasse des Bundes gibt es die Möglichkeit, dass sowohl das Zugsicherungsprojekt für die Stuttgarter S-Bahn als auch das Zugsicherungsprojekt für die Hamburger S-Bahn erst mal nicht kofinanziert werden. Das nachfolgend Gesagte ist aber von grundlegender Bedeutung und würde auch bei einer Wiederaufnahme der beiden Projekte in einigen Jahrzehnten gelten.   

Es fällt sofort auf: Von noch mehr Zügen im Verlauf der beiden Hamburger S-Bahn-Stammstrecken ist keine Rede. Dafür spielen andere Punkte bei den neuen Zugsicherungssystemen eine maßgebende Rolle.

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit
Die neuen Zugsicherungssysteme sollen die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Hamburger S-Bahn erhöhen. 

Energieersparnis
Der automatisierte Fahrbetrieb soll zu einer signifikanten Energieeinsparung bei der Hamburger S-Bahn führen. Der Stromverbrauch soll um 30 Prozent sinken. Halte auf der freien Strecke können zukünftig vermieden werden, weil die Position aller Züge bekannt ist. Notwendige betriebliche Halte werden somit in die Haltepunkte verlagert. Lastspitzen sollen abgebaut werden, indem vermieden wird, dass mehrere Züge in einem bestimmten Bereich gleichzeitig anfahren.

ÖPNV-Weltkongress 2025 (UITP) in Hamburg
Das neue System soll testweise zum ÖPNV-Weltkongress 2025 in Hamburg zum Einsatz kommen.
 
Wann konzentriert sich der Verband Region Stuttgart auf die Hamburger Effekte bei der S-Bahn?
Wann verzichtet der Verband Region Stuttgart endlich auf die Planung einer Führung zusätzlicher Linien im Verlauf der überlasteten Stuttgarter S-Bahn-Stammstrecke und konzentriert sich auf die in Hamburg dargestellten Effekte der neuen Zugsicherungssysteme?
 
Es scheint so, als wolle der Verband Region Stuttgart einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof partout verhindern. Daran führt aber kein Weg vorbei, denn zusätzliche S-Bahnzüge (z.B. Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck - Stuttgart) gibt es nur mit dem Ergänzungsbahnhof. Und eine Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn ist auf absehbare Zeit nicht möglich. 
 
Was in München und Hamburg die Zweite Stammstrecke der S-Bahn ist, stellt in Stuttgart der Ergänzungsbahnhof dar. Die S-Bahn in Frankfurt am Main hat nur eine Stammstrecke. Frankfurt am Main verfügt jedoch über einen großen Kopfbahnhof, in dem eine S-Bahnlinie endet, für die im Verlauf der Stammstrecke kein Platz ist.  

Freitag, 16. Februar 2024

Express-S-Bahn nach Kirchheim unter Teck: Herleitung - Begründung - Bau - Betrieb

Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb zusätzlich zur heute verkehrenden S1 auch noch eine Express-S-Bahnlinie zwischen dem Hauptbahnhof und Kirchheim unter Teck fahren sollte.

Darum geht es heute in diesem Blog.

Die Einwohner und Einwohnerinnen von Kirchheim unter Teck haben ein Recht auf eine schnelle Verbindung zum Hauptbahnhof
Viele Städte in der Region Stuttgart haben neben der S-Bahn auch noch eine schnelle Verbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof in Form des Metropolexpress (MEX), der nicht überall anhält. Kirchheim unter Teck hat beachtliche ca. 42.000 Einwohner und dazu noch ein Hinterland. Kirchheim unter Teck wird aber bisher nur von der S1 bedient. Eine Fahrt mit der S1 von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof dauert 45 Minuten.
 
Das ist viel zu lang. Das geht nicht. Kirchheiim unter Teck hat dasselbe Recht wie die anderen Städte in der Region Stuttgart, dass es nämlich eine schnelle Verbindung zum Hauptbahnhof erhält, schneller als die Fahrt mit der herkömmlichen S-Bahn. Im Falle von Kirchheim unter Teck wird diese schnellere Verbindung mit einer Express-S-Bahn hergestellt.
 
Warum soll nach Kirchheim unter Teck eine Express-S-Bahn fahren und kein MEX?
Es geht darum, dass im Regelfall nur ein Bahnsystem mit seinen Kenndaten zum Einsatz kommen soll. Unterschiedliche Bahnsysteme z.B. mit unterschiedlichen Bahnsteighöhen führen zu unnötigen Kosten, zu längeren Wegen, zu mehr Flächenverbrauch, zu negativen Auswirkungen auf das Stadtbild und die Landschaft oder zu Einschränkungen bei der Barrierefreiheit.
 
Nach Kirchheim unter Teck fährt heute die S-Bahn und nicht der MEX. Dabei sollte es bleiben. Ein schnelles Angebot von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof muss deshalb auf Basis der S-Bahn und nicht des MEX funktionieren.
 
Wo soll die Express-S-Bahn halten?
Die Express-S-Bahn soll ähnlich verkehren wie ein MEX. Innerhalb des Stuttgarter S-Bahnnetzes hält der MEX nur an ausgewählten Bahnhöfen. Das wären dann für die Express-S-Bahn: Kirchheim unter Teck, Wendlingen, Plochingen, Esslingen am Neckar, Bad Cannstatt, Hauptbahnhof (Ergänzungsbahnhof). 
 
Welche Ausbaumaßnahmen sind erforderlich?
Zwischen Wendlingen und Kirchheim unter Teck wird es als Folge der Express-S-Bahn zusätzliche Begegnungsstellen geben. Es ist somit ein teilweiser zweigleisiger Ausbau dieser zur Zeit eingleisigen Strecke erforderlich.
 
Dann ist ein Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof mit Zulauf für die S-Bahn erforderlich. Dieser Ergänzungsbahnhof ist allerdings sowieso und unabhängig von der Express-S-Bahn erforderlich.
 
Warum soll eine Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof auf den Gleisen der S1 fahren?
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist es die Bahnsteighöhe. Die S1 sowie auch die Express-S-Bahn benötigen für die Barrierefreiheit eine Bahnsteighöhe von 96 cm. Das lässt sich am Besten erfüllen, wenn beide Linien dieselben Gleise benutzen und auch an denselben Bahnsteigen halten.
 
Zum Anderen geht es um den Bahnhof Plochingen. Dort werden die beiden Gleise der Filstalbahn und die beiden Gleise der Neckar-Alb-Bahn zusammengeführt. Die beiden Gleispaare laufen dann bis zum Hauptbahnhof nebeneinander her. Die S1 fährt im Zuge der Neckar-Alb-Bahn. Sollte die Express-S-Bahn in Plochingen nun auf die Gleise der Filstalbahn gelenkt werden, entstünden zwei höhengleiche Gleiskreuzungen im Bahnhof Plochingen, die für die Leistungsfähigkeit und Pünktlichkeit des Zugverkehrs negative Auswirkungen haben. Eine Führung der Express-S-Bahn über die Gleise der S1 vermeidet diese höhengleichen Gleiskreuzungen. 
 
Neue höhengleiche Gleiskreuzungen im Bahnhof Plochingen und ihre negativen Auswirkungen
Viele Jahre lang war es in Plochingen so, dass die von Göppingen über die Filstalbahn nach Plochingen kommenden Züge auch im Verlauf der Filstalbahn weiterfuhren. Dasselbe galt für die von Wendlingen über die Neckar-Alb-Bahn nach Plochingen kommenden Züge. Sie fuhren im Verlauf der Neckar-Alb-Bahn weiter
 
Eine erste Änderung dieses Prinzips gab es durch den IRE Stuttgart - Sigmaringen. Dieser Zug fährt vom Hauptbahnhof bis Plochingen auf den Gleisen der Filstalbahn und wechselt dann in Plochingen auf die Gleise der Neckar-Alb-Bahn. Das führt zu zwei höhengleichen Gleiskreuzungen und zu einer Einfädelung.
 
Mit Stuttgart 21 sollen alle Züge der Neckar-Alb-Bahn in Plochingen von der Neckar-Alb-Bahn auf die Filstalbahn wechseln, einerseits, um zwischen Plochingen und dem Hauptbahnhof nicht mehr zusammen mit der S-Bahn fahren zu müssen und andererseits, weil der Stuttgart 21-Tiefbahnhof über die Gleise der Neckar-Alb-Bahn nicht erreichbar ist. Die höhengleichen Gleiskreuzungen in Plochingen nehmen also weiter zu.
 
Der Verband Region Stuttgart strebt an, eine neue S-Bahnlinie vom Hauptbahnhof nach Göppingen und Geislingen zu führen. Diese Linie würde beim Bahnhof Plochingen von der Neckar-Alb-Bahn zur Filstalbahn wechseln müssen. Damit nimmt die Zahl der höhengleichen Gleiskreuzungen und Einfädelungen beim Bahnhof Plochingen weiter zu. Damit würde aber der Verkehr im Bahnhof Plochingen zusammenbrechen. Überwerfungsbauwerke sind bei der gegebenen Situation in Plochingen zwischen Neckar und Straßen mit Talhängen wohl nur sehr schwierig umzusetzen. Der Verband Region Stuttgart sollte deshalb von diesen Plänen einer neuen S-Bahn abrücken. Die Filstalbahn ist und bleibt ausschließlich für den MEX reserviert. Das gilt auch für die Strecke Plochingen - Nürtingen.
 
Die hier thematisierte neue Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof verursacht im Bahnhof Plochingen keine weiteren höhengleichen Gleiskreuzungen. Denn sie fährt durchgehend auf den Gleisen der S1 (Neckar-Alb-Bahn).           
 
Das Non-Stop-Angebot Bad Cannstatt - Esslingen kommt zurück
Die neue Express-S-Bahn Hauptbahnhof - Kirchheim unter Teck kann auch einen der zahlreichen Riesenfehler von Stuttgart 21 ein Stück weit heilen. Mit dieser Express-S-Bahn kommt nämlich der Non-Stop-Verkehr Bad Cannstatt - Esslingen, der mit Stuttgart 21 eingestellt wird, zurück.
 
Es gibt ja heute vier Non-Stop-Fahrten pro Stunde und Richtung zwischen Bad Cannstatt und Esslingen. Das sind zwei Fahrten des MEX Stuttgart - Geislingen an der Steige sowie zwei Fahrten des MEX Stuttgart - Tübingen.
 
Stuttgart 21 setzt nun dem wichtigen Bahnhof Bad Cannstatt arg zu. Mit Stuttgart 21 wird es keine einzige Non-Stop-Fahrt zwischen Bad Cannstatt und Esslingen mehr geben. Es wird Verbindungen zwischen dem Hauptbahnhof und Esslingen über den Untertürkheimer Tunnel geben. Diese Fahrten fahren aber an Bad Cannstatt vorbei. Und es wird eine Linie geben, die in Bad Cannstatt startet und dann eine Ehrenrunde über den Hauptbahnhof und den Untertürkheimer Tunnel nach Esslingen dreht.
 
Die neue, halbstündlich verkehrende Express-S-Bahn Hauptbahnhof - Kirchheim unter Teck bringt nun diese Non-Stop-Fahrten wenigstens ein Stück weit zurück. Diese Express-S-Bahn erfüllt somit außer der schnellen Anbindung von Kirchheim unter Teck an den Hauptbahnhof eine weitere wichtige Funktion im Bereich des Neckartals. 
 
Der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof
Kurz vorweg: Ob der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof dadurch zustandekommt, dass man einen Teil des bestehenden Kopfbahnhofs erhält und modernisiert oder ob er dadurch zustandekommt, dass man einen neuen Kopfbahnhof baut, ist erst mal sekundär.
 
Primär ist, dass die Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Stuttgarter Hauptbahnhof in einem Ergänzungsbahnhof endet. Wir haben ja in der Region Stuttgart zwei Bahnsysteme, was die Bahnsteighöhe betrifft. Einmal ist dies die S-Bahn mit der Bahnsteighöhe von 96 cm. Und zum Zweiten sind dies die anderen Züge mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm oder geringer. Der Ergänzungsbahnhof muss für beide Systeme Kapazitäten bereithalten. Es muss im Ergänzungsbahnhof also Bahnsteige mit einer Höhe von 96 cm und Bahnsteige mit einer Höhe von 76 cm geben.
 
Was die neue Express-S-Bahn betrifft, so ist für diese Linie weder in der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn noch im Stuttgart 21-Tiefbahnhof Platz. An einer Führung dieser Linie in den Ergänzungsbahnhof führt deshalb kein Weg vorbei.  
    
  


Freitag, 9. Februar 2024

EU-Flughafen-Fernbahnanschluss: Macht das für den Stuttgarter Flughafen Sinn?

Ende 2023 hat die EU im Rahmen einer Einigung in Sachen Weiterentwicklung des TEN-T-Netzes auch neue Vorgaben für den Anschluss von Flughäfen an das Fernbahnnetz gemacht.

Demnach sollen "Major Airports", die mehr als 12 Mio. Passagiere pro Jahr aufweisen, an das Fernbahnnetz angeschlossen werden. Dadurch soll die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber den innerstaatlichen Flügen verbessert werden.

Wir sehen uns heute am Beispiel des Stuttgarter Flughafens an, ob diese Vorgabe der EU in jedem Fall sinnvoll ist.
 
Zunächst mal bleibt festzuhalten, dass der Stuttgarter Flughafen im Jahr 2023 lediglich 8,4 Mio. Passagiere aufweisen konnte. Ist also die EU-Vorgabe für den Stuttgarter Flughafen gar nicht gültig? Nun wollen wir hier nicht päpstlicher sein als der Papst. Im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Krise, hatte der Stuttgarter Flughafen schon mal 12,7 Mio. Passagiere.
 
Auffällig ist allerdings, dass der Stuttgarter Flughafen fast das Schlusslicht unter den Flughäfen bildet, wenn es um die Rückkehr zu den Vor-Corona-Zahlen bei den Passagieren geht. Viele Flughäfen haben bereits die Vor-Corona-Werte (fast) wieder erreicht oder übertreffen sie sogar. Der Stuttgarter Flughafen strebt eine Rückkehr zu den Vor-Corona-Zahlen erst in einigen Jahren an. Warum dies so ist, würde allerdings den heutigen Post hier in diesem Blog überfrachten.    
 
Ersatz der innerdeutschen Linienflüge durch die Bahn
Im Rahmen einer CO²-Reduzierung kann es Sinn machen, die innerdeutschen Linienflüge durch die Bahn zu ersetzen.
 
Hierzu ist aber kein Fernbahnanschluss der Flughäfen erforderlich. Im Gegenteil: Ein Fernbahnanschluss eines Flughafens würde hier zu unnötigen Umleitungen und Fahrzeitverlusten beim Fernverkehr führen. Wenn man innerdeutsch mit der Bahn fährt, fährt man ja nicht von Flughafen zu Flughafen, sondern von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Von daher ist es nicht wichtig, den Flughafen schnell zu erreichen. Wichtig ist vielmehr, schnell zum Hauptbahnhof zu kommen, in dem die Abfahrt stattfindet, sowie schnell vom Hauptbahnhof wegzukommen, in dem die Ankunft des Zuges stattfindet. Ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens lässt sich also nicht mit einer angestrebten Verlagerung des innerdeutschen Verkehrs von der Luft auf die Bahn begründen.

Sehen wir uns dies mal kurz beispielhaft für die Gäubahn an. Würde die Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen geführt, würden die innerdeutschen Flüge ab Stuttgart attraktiver, die Bahnreise ab dem Hauptbahnhof würde weniger attraktiv. Die Gäubahn darf also nicht zum Stuttgarter Flughafen geführt werden. Vielmehr muss sie auf schnellsten und direktestem Weg den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen.
 
Ersatz von Zu- und Abbringerflügen durch die Bahn
Zu- und Abbringerflüge könnten durch die Bahn ersetzt werden. Hierzu wäre ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens erforderlich. Zu- und Abbringerflüge gibt es jedoch in nennenswertem Umfang nur zu und von Knotenpunktsflughäfen (sogenannten Hubs). Der Stuttgarter Flughafen ist jedoch nicht im Entferntesten ein Hub. Der Stuttgarter Flughafen fertigt Punkt-zu-Punkt-Verkehre ab, sowie Charterverkehre und Zu-/Abbringerflüge zu und von europäischen Hubs. Zu- und Abbringerflüge gibt es sehr wohl ab/bis Stuttgart, allerdings nicht, weil der Stuttgarter Flughafen ein Hub wäre, sondern genau umgekehrt. Die Flüge von Stuttgart gehen zu den zahlreichen Hubs in Europa, von wo die Passagiere dann weiter in alle Welt fliegen. 
 
Die Lufthansa Group hat den Stuttgarter Flughafen förmlich mit Hubs umzingelt. Dazu gehören Frankfurt am Main (Lufthansa), München (Lufthansa), Zürich (SWISS), Wien (Austrian Airlins) und Brüssel (Brussels Airlines). Darüber hinaus gibt es zahlreiche Hubs anderer Fluggesellschaften in Europa, die Passagiere aus Stuttgart anziehen. Von daher ist es äußerst unwahrscheinlich, dass der Stuttgarter Flughafen in der Zukunft auch nur ansatzweise ein Hub werden wird.
 
Sehen wir uns dies mal kurz für die Gäubahn an. Wegen der fehlenden Hub-Funktion des Stuttgarter Flughafens gibt es keinen Grund, die Gäubahn zum Stuttgarter Flughafen zu führen. Dagegen wäre es sinnvoll, die Gäubahn zum Zürcher Flughafen zu führen. Denn der Zürcher Flughafen ist im Gegensatz zum Stuttgarter Flughafen ein Hub. In der Folge wären dann die Zu- und Abbringerflüge Stuttgart - Zürich - Stuttgart einzustellen.   
 
Flughafenanbindung der Gäubahn in Stuttgart wohl nicht im Sinne der EU 
Eine Führung der Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen wäre wohl nicht im Sinne der EU. Denn eine solche Anbindung würde die innerdeutschen Linienflüge attraktiver machen und den innerdeutschen Bahnverkehr weniger attraktiv machen. Es sei noch einmal gesagt: Nutzt man innerdeutsch die Bahn, geht die Reise nicht von Flughafen zu Flughafen, sondern von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Deshalb ist die Gäubahn nicht an den Stuttgarter Flughafen anzuschließen, sondern an den Stuttgarter Hauptbahnhof - am besten direkt ohne Umwege und auf eigenen Gleisen.   
 
Die EU sollte die Kriterien für die Anbindung von Flughäfen an den Schienenfernverkehr ändern
Die jetzt bekanntgewordene Zahl von 12 Mio. Passagieren pro Jahr ist als Kriterium für die Anbindung eines Flughafens an den Schienenfernverkehr denkbar ungeeignet bzw wenigstens unvollständig. Statt dessen sollte als Kriterium eine Hub-Funktion eines Flughafens eingeführt werden.
 
Ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens ist also unsinnig. Die hierzu vergrabenen Mittel sind hinausgeschmissenes Geld. 
 
Noch ein Beispiel dazu: Der Flughafen der Mittelmeerinsel Mallorca gehört zu den größten Flughäfen Europas. Im Jahr 2023 wurden über 31 Mio. Passagiere abgefertigt, ein neuer Rekord. Es wird aber doch niemand auf die Idee kommen, dass dieser Flughafen an das Schienen-Fernverkehrsnetz angebunden werden muss?!   


Freitag, 2. Februar 2024

Sonder-Bahnsteighöhe bei der Stuttgarter S-Bahn ist einer der Gründe für die Unmöglichkeit einer S-Bahnverlängerung nach Horb

Die Stuttgarter S-Bahn sowie einige wenige andere S-Bahnsysteme in Deutschland benötigen für das barrierefreie Ein- und Aussteigen eine Bahnsteighöhe von 96 cm. Damit sind diese Systeme ein Sonderfall in Deutschland.

Die erforderliche Bahnsteighöhe von 96 cm ist auch einer von mehreren Gründen, weshalb eine Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn von Herrenberg nach Horb nicht sinnvoll oder möglich ist. Genau eine solche Verlängerung zieht aber der Verband Region Stuttgart in Erwägung.

Fangen wir erst mal kurz mit den Zuständigkeiten an. Der Verband Region Stuttgart ist für eine S-Bahnlinie von Horb nach Herrenberg gar nicht zuständig. Denn das Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) vom 7. Februar 1994, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. April 2023, legt in §4 fest, dass der Verband Region Stuttgart die Trägerschaft für die S-Bahn nur bis zur Verbandsgrenze innehat. Aus Richtung Stuttgart gesehen ist der Verband Region Stuttgart somit nur bis zum Bahnhof Bondorf zuständig. Horb befindet sich nicht in der Region Stuttgart, sondern im Landkreis Freudenstadt. 

Ist ein Umbau der Stuttgarter S-Bahn für Bahnsteighöhen von 76 cm machbar?
Ein solcher Umbau ist kaum mehr machbar. Er würde Milliarden kosten. Man müsste die S-Bahn für mehrere Jahre stilllegen und fast alle Bahnhöfe umbauen. Zudem müsste man alle S-Bahn-Fahrzeuge austauschen.
 
Es gibt nun einmal Entscheidungen, die für die Ewigkeit getroffen worden sind. Und dazu gehört die Entscheidung, die S-Bahnnetze von München, Frankfurt und Stuttgart mit besonderen Fahrzeugen zu betreiben, die eine Bahnsteighöhe von 96 cm erfordern.
 
In der Schweiz gibt es diese Probleme nicht. Dort hat die S-Bahn dieselben Bahnsteighöhen wie die Fernzüge oder Regionalzüge. Deshalb  können die S-Bahnnetze in der Schweiz flexibler ausgebaut werden und größere Streckenlängen aufweisen.
 
Für die Stuttgarter S-Bahn bleibt nur, dass sie sich auf die Strecken mit besonders starkem Verkehrsaufkommen konzentriert. Das ist im Wesentlichen das bestehende S-Bahnnetz. Zudem sollte ein Mischverkehr zwischen dem Metropolexpress (Bahnsteighöhe 76 cm) und der S-Bahn im Regelfall bei den einzelnen Bahnhöfen vermieden werden. Eine Ausnahme sind die größeren Bahnhöfe wie z.B. Esslingen am Neckar, wo seit jeher verschieden hohe Bahnsteige vorhanden sind. 
 
Welche Nachteile hat eine S-Bahn nach Horb?
Die Sonder-Bahnsteighöhe von 96 cm bei der Stuttgarter S-Bahn würde einen Umbau bzw. eine Erweiterung der Bahnhöfe Gäufelden, Bondorf, Ergenzingen, Eutingen im Gäu und Horb für den Mischverkehr Metropolexpress / Gäubahn erfordern. Das wäre raumgreifend, lange Wege für die Fahrgäste erzeugend, teuer, ggf. mit zusätzlichen Weichen verbunden und langwierig (4 oder mehr Jahre Planungs- und Bauzeit), wie ein aktuelles Beispiel aus München gerade zeigt.
 
Die S-Bahn hat zudem kein WC - im Gegensatz zum Metropolexpress. Die S-Bahn hat weniger Sitzplätze als der Metropolexpress. Die Sitze der S-Bahn sind weniger bequem als die Sitze des Metropolexpress. Je nach Betriebsmodell ist die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als die Fahrzeit mit dem Metropolexpress.
 
Eine S-Bahn nach Horb ist zudem eine Verspätungsschleuder. Je länger die S-Bahn auf denselben Gleisen wie die Fernzüge und der Metropolexpress fährt, desto größer wird die Gefahr von Verspätungen - bei der S-Bahn und bei den Fernzügen.  
 
Wie lange ist die Fahrzeit Horb - Stuttgart?
Je nach der einzusetzenden S-Bahnlinie wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart unterschiedlich lang.
 
Würde man die S1 von Herrenberg nach Horb verlängern, wäre die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als eine Fahrt mit dem Metropolexpress. Denn die S1 hält zwischen Herrenberg und S-Vaihingen an allen Haltepunkten - im Gegensatz zum Metropolexpress.
 
Würde man hingegen die S5 vom heutigen Endpunkt Schwabstraße nach S-Vaihingen und weiter als Express-S-Bahn bis Horb (Haltepunkte = diejenigen des Metropolexpress) verlängern, wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart mit der S-Bahn gleich lang wie mit dem Metropolexpress.
 
Fahrlagen der S-Bahn, des Metropolexpress und der Fernzüge
Wir haben ja heute bereits das Problem, dass es Einschränkungen beim Verkehr im Verlauf der Gäubahn gibt, weil die Strecke überlastet ist. So gibt es alle zwei Stunden eine Taktlücke bei der S1 in den Haltepunkten Hulb, Ehningen, Gärtringen und Nufringen.
 
Würde die S-Bahn bis Horb verlängert, könnten wegen Streckenüberlastung die S-Bahn und der Metropolexpress wohl jeweils nur im Stundentakt verkehren. Das ist nicht attraktiv.      
 
Maßgebend ist das Land BW
Das Land BW ist bei der Bahnlinie Horb - Stuttgart am Zug und muss die Federführung übernehmen. Es muss im Halbstundentakt ein Metropolexpress Horb - Stuttgart verkehren. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, dass jede Stunde ein Fernzug Zürich - Stuttgart verkehrt. Alle diese Züge müssen in einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof geführt werden.    
 
Ergänzungsbahnhof hat auch 96 cm-Bahnsteige für die S-Bahn
Die aktuellen Probleme, die zu  einem immer hektischeren Aktionismus bei der Gäubahn führen, haben auch etwas mit der Passivität des Verbands Region Stuttgart in Sachen Ergänzungsbahnhof zu tun. Der Verband Region Stuttgart hat es versäumt, den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof voranzutreiben. Dies ist sehr wohl auch in der Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart. Denn der Ergänzungsbahnhof wird auch einige Gleise mit einer Bahnsteighöhe von 96 cm für die S-Bahn aufweisen. Sie dienen dazu, dass im Störungsfall S-Bahnzüge den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen, sowie dass neue Angebote auf die Schiene gestellt werden können (z.B. Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck - Stuttgart).
 


Freitag, 26. Januar 2024

"Vorhaltebauwerke" für die S-Bahn, U-Bahn, Stadtbahn und Eisenbahn - Chancen und Risiken

Ein Vorhaltebauwerk ist ein Verkehrsbauwerk, das wegen baulicher Zusammenhänge mit anderen Bauwerken früher als eigentlich erforderlich gebaut wird. Es wird dann für einen späteren Zeitraum vorgehalten. Die für das Vorhaltebauwerk erforderlichen Mittel müssen vorfinanziert werden. Andererseits erspart ein Vorhaltebauwerk einen späteren Abbruch und Wiederaufbau anderer Bauwerke.
 
Das Wort "Vorhaltebauwerk" ist bisher nicht im Duden zu finden. In der Wikipedia gibt es bisher keinen Artikel mit der Überschrift Vorhaltebauwerk. Wortschöpfend ist in diesem Fall die Stadt München, wo in jüngster Zeit der Bau von gleich zwei großen Vorhaltebauwerken beschlossen wurde.
 
Im heutigen Post in diesem Blog sehen wir uns einige Vorhaltebauwerke in Deutschland an. Vorhaltebauwerke beinhalten Chancen und Risiken.     
 
Vorhaltebauwerk U9 im Münchner Hauptbahnhof
Das vielleicht größte Vorhaltebauwerk Deutschlands entsteht in den kommenden Jahren unter dem  Münchner Hauptbahnhof. Dort wird für ca. 660 Mio. Euro ein viergleisiger U-Bahnhof für die neue U9 gebaut (Vierte Stammstrecke der Münchner U-Bahn).

Die Kosten für den U-Bahnhof werden von der Stadt München vorfinanziert. Vorhaltebauwerk nennt man diesen neuen U-Bahnhof deshalb, weil er eigentlich in den Zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts noch gar nicht gebaut werden müsste. Denn die U9 wird - wenn überhaupt - erst Ende der Dreißiger Jahre oder gar Anfang der Vierziger Jahre in Betrieb genommen.

Wegen anderer Großvorhaben (Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn und Neubau des Münchner Hauptbahnhofs), die beide jetzt in den Zwanziger Jahren im Bau sind, muss der neue Bahnhof für die U9 aber gleich mitgebaut werden. Später könnte man ihn nicht mehr oder nur unter größten Schwierigkeiten errichten.

Da geht die Stadt München ein gewisses Risiko ein. Die U9 ist vom Bund noch nicht mal genehmigt. Ohne Zuschüsse des Bundes könnte München die U9 aber nicht finanzieren. Die Gesamtkosten für die U9 werden auf vier bis zehn Milliarden Euro geschätzt. Ohne die U9 ist aber nach Auffassung der Stadt München die Verkehrswende nicht zu schaffen. 

Das ist also eine Entscheidung, um die man den Münchner Stadtrat nicht beneiden kann. Da sind Abwägungen erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, auf lange Sicht eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, ist immer präsent. 

Vorhaltebauwerk für Münchens U5 im neuen Stadtteiil Freiham
Für 100 Mio. Euro will München bis 2026 unter dem Zentrum des neuen Stadtteils Freiham einen Bahnhof für die U-Bahnlinie U5 errichten. Die U5 ist zur Zeit zwischen dem bisherigen Endbahnhof Laimer Platz und Pasing im Bau. Eine weitere Verlängerung in den neuen Stadtteil Freiham wird wohl erst Ende der Dreißiger -/Anfang der Vierziger Jahre in Betrieb genommen.
 
Trotzdem soll der neue U-Bahnhof in Freiham jetzt schon gebaut werden. Denn im Moment ist dort, wo der U-Bahnhof gebaut werden soll, noch eine "Grüne Wiese". Der U-Bahnhof kann insofern relativ einfach gebaut werden. Die Stadt München will vermeiden, dass die neue Infrastruktur im neuen Stadtteil Freiham später zum Teil wieder abgerissen werden muss, wenn die U-Bahn in den Stadtteil kommt.

Pech gehabt: Vorhaltebauwerk für die nordmainische S-Bahn im Frankfurter Ostbahnhof
Zusammen mit dem Bau der Stadtbahnlinie U6 zum Ostbahnhof in Frankfurt im Jahr 1999 wurde dort als Vorhaltebauwerk ein Tunnelstück für die geplante nordmainische S-Bahnstrecke gebaut. Diese S-Bahnstrecke soll nach mehreren Terminverschiebungen jetzt endlich im Jahr 2024 in Bau gehen. Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass wegen geänderter Vorschriften das seinerzeit gebaute Vorhaltebauwerk für die S-Bahn nicht mehr weiterverwendet werden kann. Deshalb muss dieses Vorhaltebauerk jetzt abgerissen werden. Der Tunnelabschnitt für die S-Bahn beim Ostbahnhof muss neu gebaut werden. 

Werden im Tunnel unterhalb des Stuttgarter LBBW-Gebäudes jemals Stadtbahnzüge verkehren?
Auch im Streckennetz der Stuttgarter Stadtbahn gibt es zahlreiche Vorhaltebauwerke, wobei die meisten dieser Bauwerke eher kleine Dimensionen haben. Dazu gehören zum Beispiel Tunnelrampen, die für den Weiterbau des Tunnels vorbereitet sind, oder Aufweitungen von Tunneln, um eine mögliche spätere Streckenverzweigung zu ermöglichen.
 
Unter dem Gebäude der LBBW an der Fritz-Elsas-Straße (Bollwerk) hat man Tunnelröhren für die Stadtbahn gebaut, die eine spätere direktere Führung der Stadtbahn zwischen dem Rotebühlplatz und der Kreuzung Schloss-/Johannesstraße unter Umgehung der Kreuzung  Berliner Platz ermöglichen sollen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Tunnel jemals in Betrieb genommen werden.
 
Hauptplanungsziel bei der Stuttgarter Stadtbahn für die nächsten 20 Jahre muss der Bau einer dritten Stammstrecke für die Stadtbahn sein. In diesem Zusammenhang sind dann auch weitere bestehende Defizite im Stadtbahnnetz zu heilen. Dazu gehören die städtebaulich verheerende Tunnelrampe in der Fritz-Elsas-Straße, die städtebaulich katastrophale Tunnelrampe in der Schlossstraße sowie die Gleiskreuzung Berliner Platz mit ihren Übereck-Beziehungen, die bald sogar regelmäßig von 80 Meter langen Zügen befahren werden und die auf Dauer so nicht beibehalten werden können.
 
Stuttgart 21 knausert bei den Vorhaltebauwerken
Von seinem Wesen her wird Stuttgart 21 als minimalistisches Projekt ausgeführt. Denn Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn und wird nicht im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans finanziert.
 
Deshalb ist zu erwarten, dass Stuttgart 21 auch bei den Vorhaltebauwerken minimalistisch vorgeht. Und tatsächlich: Es gibt kein Vorhaltebauwerk für den zukünftigen Nordzulauftunnel. Wenn dieser Tunnel später mal gebaut wird, muss der Feuerbacher Tunnel wegen der Umbauten für den Anschluss des Nordzulauftunnels wahrscheinlich mehrere Jahre gesperrt werden. Ausbaden müssen das die Fahrgäste und der Bund als Finanzier des Nordzulauftunnels. Nicht ganz so schlimm, aber ähnlich verhält es sich mit dem Cannstatter Tunnel, der wegen des Anschlusses der P-Option eine Zeitlang mit Einschränkungen leben muss.           

Stuttgart 21 bestätigt somit auch in Sachen Vorhaltebauwerke seinen Ruf als Verkehrs-Außenseiterprojekt in Europa.