Sonntag, 23. März 2014

Der Verband Region Stuttgart zwischen Hängen und Stuttgart 21

Der Verband Region Stuttgart ist einer von zwölf Regionalverbänden in Baden-Württemberg. Unter den zwölf Regionalverbänden hat der Verband Region Stuttgart eine Sonderstellung inne. Als Einziger verfügt der Verband Region Stuttgart über ein von der Bevölkerung gewähltes Parlament. Zudem hat er als einziger der zwölf Regionalverbände einen erweiterten Zuständigkeitsbereich erhalten. Als Besonderheit ist der Verband Region Stuttgart für die Stuttgarter S-Bahn zuständig. Dies ist inzwischen sogar sein Hauptaufgabengebiet, besonders im Hinblick auf den Haushalt des Verbands. Für alle anderen S-Bahnen und Regionalverkehre in BW ist dagegen das Land selbst zuständig.

Die Sonderstellung des Verbands Region Stuttgart findet jedoch im Ansehen dieser Institution und auch in der täglichen Arbeit nicht den entsprechenden Niederschlag. Mehr als durch Sacharbeit ist der Verband Region Stuttgart in der Vergangenheit durch Personalthemen sowie durch Zuständigkeitsstreitereien aufgefallen. Zudem liegt das Projekt Stuttgart 21 wie ein Bleiklotz über dieser Institution und lähmt ihre Arbeit.


Es gibt Gerüchte, dass beim Verband Region Stuttgart nicht gerade das beste Personalklima herrscht. Im Jahr 2008 starb der erste Regionaldirektor des Verbands Region Stuttgart, Bernd Steinacher, durch Suizid. Ob die Ursache im beruflichen oder im privaten Bereich zu finden war, ist mir nicht bekannt. Seine Nachfolgerin, Jeannette Wopperer, wurde im Juli 2013 im Alter von nur 46 Jahren in den Ruhestand versetzt, nachdem sie jahrelang krank war. Es gibt Gerüchte, dass Wopperer Mobbing ausgesetzt war. Die Bevölkerung hat ein sehr feines Gespür dafür, ob eine Institution die ihr übertragene Sacharbeit gut oder wenigstens zufriedenstellend erledigt oder ob Querelen das Bild dieser Institution bestimmen. Im letztgenannten Fall wendet sich die Bevölkerung von dieser Institution ab.

Eine Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart für die Stuttgarter S-Bahn sowie ein von der Bevölkerung gewähltes Regionalparlament in der Region Stuttgart lassen sich nur dann rechtfertigen, wenn der Verband Region Stuttgart in seinem Aufgabengebiet - also in erster Linie bei der S-Bahn - Erfolge vorzuweisen hat, die es mit den herkömmlichen Zuständigkeiten so nicht gegeben hätte.

Die Stuttgarter S-Bahn liegt abgeschlagen zurück
Davon aber ist im Hinblick auf die Stuttgarter S-Bahn nichts zu spüren. Die Stuttgarter S-Bahn liegt im Vergleich mit den S-Bahnen der benachbarten mit der Region Stuttgart im Wettbewerb stehenden Regionen (München, Frankfurt/Main, Zürich) sowohl bei der Netzlänge als auch bei den Fahrgastzahlen abgeschlagen zurück. Als Beispiel für das Versagen des Verbands Region Stuttgart in Sachen S-Bahn wollen wir mal die Bedienung des Stuttgarter Flughafens mit der S-Bahn ansprechen.

In Hamburg - einer Region, die nicht größer ist als die Region Stuttgart - wird der Flughafen von morgens 5 Uhr bis abends 23 Uhr alle 10 Minuten mit der S-Bahn bedient. Der Stuttgarter Flughafen wird mit der S-Bahn nur in einem Stottertakt von 10/20-Minuten und ab 22 Uhr nur alle halbe Stunde bedient. Jeder Fluggast, der in Stuttgart ankommt, muss also damit rechnen, 20 Minuten am Bahnsteig auf die nächste S-Bahn warten zu müssen. Diese 20 Minuten müssen Reisende, die Termine haben, in ihre Terminplanung einbeziehen. Dies ist wahrlich nicht besonders attraktiv, das ist provinziell. Anstatt auf irgendwelche Verbesserungen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 in vielleicht 10 Jahren zu verweisen, sollte sich der Verband Region Stuttgart um eine Verbesserung der S-Bahnanbindung des Stuttgarter Flughafens kümmern. Das kann in einer ersten Stufe dadurch erreicht werden, dass man eine Express-S-Bahn vom Flughafen über Vaihingen zum Hauptbahnhof einrichtet, die ab Flughafen mittig in der heute bestehenden 20-Minuten-Taktlücke abfährt und damit zusammen mit den bereits bestehenden S-Bahnlinien den 10-Minuten-Takt vom Flughafen zum Hauptbahnhof herstellt.

Das Hauptproblem des Verbands Region Stuttgart ist Stuttgart 21
Damit haben wir jetzt aber auch schon das Hauptproblem des Verbands Region Stuttgart genannt, Stuttgart 21. Dieses Projekt lähmt in vielfältiger Art die Arbeit des Verbands. Mindestens seit dem Jahr 1994, aber wahrscheinlich schon früher, muss der Ausbau der Stuttgarter S-Bahn zugunsten von Stuttgart 21 zurückstehen. Dahinter stecken zwei Mechanismen. Einerseits hat man beim Land BW und in der Region Stuttgart alle verfügbaren Gelder für Stuttgart 21 zusammengekratzt und für dieses Projekt zurückgestellt. Für einen notwendigen und massiven Ausbau der S-Bahn bleibt da nichts übrig. Der andere Mechanismus besteht darin, dass größere Verbesserungen bei der S-Bahn vor dem Stuttgart 21-Hintergrund gar nicht erwünscht sind. Denn diese Verbesserungen hätten relativ schnell gezeigt, wie unnötig und schlecht Stuttgart 21 ist.

Unter dieser Gemengelage leiden in erster Linie die 2,7 Millionen Einwohner der Region Stuttgart, die auf ein S-Bahnnetz in der Qualität verzichten müssen, wie es die mit der Region Stuttgart im Wettbewerb stehenden Regionen haben. Nicht die Einwohner der Region Stuttgart oder die Fahrgäste stehen somit beim Verband Region Stuttgart im Vordergrund, sondern ein Großprojekt, dem sich alles andere unterzuordnen hat.

Eine weitere Schnittstelle zwischen Stuttgart 21 und der S-Bahn sind die Beeinträchtigungen, die bereits jetzt die vorbereitenden Arbeiten für Stuttgart 21 auf die S-Bahn haben. Störungen, Verspätungen, Fahrtausfälle und anderes mehr bei der S-Bahn als Folge von Stuttgart 21 sind inzwischen das Tagesgespräch in der Region Stuttgart. Die Region Stuttgart hat somit nicht nur das unterentwickelste S-Bahnnetz unter den vergleichbaren Regionen. Sie weist inzwischen auch den störanfälligsten S-Bahnbetrieb auf.

Dem Verband Region Stuttgart passt der Regionalzughalt Vaihingen nicht
Zur Zeit ist ja die Einrichtung eines Halt in S-Vaihingen für die Metropol-Express-Züge und die Regionalzüge ein wichtiges Thema. In einer Stellungnahme zu diesem Regionalzughalt entdeckt jetzt - war für eine Ironie - der Verband Region Stuttgart plötzlich das Thema der Pünktlichkeit der S-Bahn. Ein im Bahnhof Vaihingen in Richtung Horb stehender Regionalzug bzw. Metropol-Express-Zug könnte - so behauptet jetzt der Verband - eine nachfolgende Linie S1 behindern und damit die Pünktlichkeit der S-Bahn weiter beeinträchtigen.

Was für ein Fanal! Anscheinend hat sich der Verband Region Stuttgart noch nicht mit der zukünftigen Bahnsteigbelegung in S-Vaihingen beschäftigt. Von einer Behinderung der S1 durch einen Regionalzug kann keine Rede sein.

Hier einmal zum Mitschreiben die Bahnsteigbelegung sowie die Bahnsteighöhen in S-Vaihingen:
Gleis 1: Metropol-Express-Zug bzw. Regionalzug in Richtung Horb sowie Express-S-Bahn zum Flughafen; Bahnsteighöhe: die ersten 10 Meter ab dem Hauptzugang 90 cm, der Rest 70 cm
Gleis 2: S1, S2, S3 Richtung Böblingen/Flughafen; Bahnsteighöhe 90 cm
Gleis 3: S1, S2, S3 Richtung Hauptbahnhof, Bahnsteighöhe 90 cm
Gleis 4: Metropol-Express-Zug bzw. Regionalzug sowie Express-S-Bahn Richtung Hauptbahnhof; Bahnsteighöhe: die ersten 10 Meter ab dem Hauptzugang 90 cm, der Rest 70 cm

Man kann Verkehrsminister Hermann nur eindringlich auffordern, sich nicht von dem auf Stuttgart 21 fixierten Verband Region Stuttgart über den Tisch ziehen zu lassen und jetzt die Einrichtung des Halts für die Metropol-Express-Züge und die Regionalzüge in S-Vaihingen voranzutreiben. Und es sei gestattet, dass auch die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 hier mal ihr Fett wegbekommt. Man kann doch solche Aussagen des Verbands Region Stuttgart zum Regionalzughalt in S-Vaihingen, die prompt und dankbar dann auch von der Presse widergegeben werden, nicht einfach so stehen lassen. Da muss man sich doch sofort einmischen und die Sache richtigstellen!         

Dem Verband Region Stuttgart sind durch Stuttgart 21 die Hände gebunden
Der Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger der S-Bahn sieht sich nicht in der Lage, die Situation bei diesem Verkehrsmittel grundlegend zu verbessern. Dies ist einerseits durch die naturgemäß relativ geringe Größe dieser Institution bedingt, der es nicht gelingt, der Bahn Paroli zu bieten. Weit gravierender ist jedoch, dass dem Verband Region Stuttgart in Sachen S-Bahn die Hände gebunden sind. Denn der Verband Region Stuttgart ist bei Stuttgart 21 mit im Boot. Die Mehrheit im Regionalparlament und wohl auch die Mehrheit in der Exekutive des Verbands Region Stuttgart besteht aus Stuttgart 21-Befürwortern. 

Damit befindet sich der Verband Region Stuttgart in der Zwickmühle. Für eine ordentliche Aufgabenerfüllung wäre es eigentlich erforderlich, dass sich der Verband Region Stuttgart umgehend von Stuttgart 21 lossagt. Nur so könnte man bei der Stuttgarter S-Bahn wieder Land sehen und die Entwicklung dieses Verkehrsmittels in eine gute Zukunft führen. Wegen der hier in Deutschland vorherrschenden Parteiendemokratie sind jedoch vielen Parlamentariern im Regionalparlament die Hände gebunden. Sie können nicht gegen Stuttgart 21 sein, selbst wenn sie wollten. Das wäre mal ein interessantes Thema für eine Verhandlung vor dem Verfassungsgericht. "Darf eine demokratische Institution ihre Hauptaufgabe (hier: die S-Bahn) vernachlässigen, nur weil die Parlamentarier wegen des Parteien- und Fraktionszwangs entsprechende nachteilige Entscheidungen treffen müssen?"

Die Forderung nach Übernahme weiterer Aufgaben mutet grotesk an
Vor diesem Hintergrund mutet es grotesk an, wenn der Verband Region Stuttgart die Übernahme weiterer Aufgabenfelder von den Landkreisen fordert. Einem Arbeitnehmer zum Beispiel, der die ihm anvertrauten Aufgaben nicht zur Zufriedenheit erledigt, wird der Arbeitgeber wohl kaum zusätzliche Aufgaben anvertrauen. Nun kann man allenfalls ein klein wenig ein grundsätzliches Verständnis dafür aufbringen, dass es in der Natur jeder Institution liegt, immer größer und bedeutender zu werden. Die Forderung des Verbands Region Stuttgart nach weiteren Aufgaben ist jedoch vor dem Hintergrund der S-Bahn-Misere ein Stück weit unverschämt.

Wenn der Verband Region Stuttgart in Sachen S-Bahn nicht bald Tritt fasst, muss man ernsthaft eine Rück-Übertragung der Trägerschaft für die S-Bahn vom Verband Region Stuttgart zum Land Baden-Württemberg ins Auge fassen. Damit verbunden wäre eine Auflösung des Regionalparlaments. Diese Forderung ist in keinster Weise undemokratisch. Die Qualität einer Demokratie bemisst sich nicht an der Anzahl der Ebenen und Institutionen. Die BürgerInnen hier in der Region Stuttgart wählen den Bundestag, den Landtag, den Gemeinderat, den Oberbürgermeister und das Europäische Parlament. Wenn diese fünf Wahlgänge die Demokratie nicht festigen, kann dies auch der sechste Wahlgang für das Regionalparlament nicht übernehmen.

Das Land wird wohl den Stuttgart 21-Irrtum früher erkennen als der Verband Region Stuttgart
Es gibt zur Zeit keinen Hinweis dafür, dass das Regionalparlament bzw. der Verband Region Stuttgart die Stuttgarter S-Bahn besser betreiben können als das Land BW. Also sollte man die Bevölkerung nicht länger verulken und auf das Regionalparlament konsequenterweise verzichten. Das Land verfügt über eine wesentlich größere Exekutive als der Verband Region Stuttgart und kann damit der Bahn besser Paroli bieten. Zudem gibt es zwischen der S-Bahn und dem Regionalverkehr bzw. den ab 2016 neu einzuführenden Metropol-Express-Zügen vielfache Schnittstellen, so dass der gesamte Regionalverkehr einschließlich der Stuttgarter S-Bahn unter einem Dach sein sollte. Schließlich ist dem Land auch zuzutrauen, dass es zu einem früheren Zeitpunkt als der Verband Region Stuttgart den Stuttgart 21-Irrtum erkennt und die Bahnpolitik einschließlich der S-Bahnpolitik in die richtigen Spuren leitet.        
                         
 

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